Andreas Ronig Topthema

Herr Vöpel, ich hätte da noch ‘ne Frage…

Auf Ihrer Website schreiben Sie:

05  |  HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALEN WELT MEISTERN.

Nach der Überschrift dachte ich kurz „Hey, Piraten wirken! Endlich begreifen auch die Politiker der alten Parteien, was die akuten Probleme dieser Zeit sind.“

Doch dann ging es so weiter:

In meinem Berufsalltag erlebe ich oft, dass sich viele Menschen mit der digitalen Welt überfordert fühlen.

Hab ich da was verpasst und Sie sind Angela Merkels „Neuland“-Partei beigetreten?

Dabei liegen gerade hier große Chancen für die deutsche Wirtschaft. Wir brauchen flächendeckend schnelle Internetverbindungen, jeder Schüler sollte einen Laptop haben und die Digitalisierung gehört ganz oben auf die Lehrpläne. Ein neuer Gründergeist muss durch Deutschland wehen.

Achso, da weht der Wind her.
Unter dem Aspekt der digitalen Teilhabe finde ich die Forderung ja richtig.
Aber ist „die deutsche Wirtschaft“ Ihr einziges Problem in dieser Hinsicht?
Dafür lassen Sie Laptops springen (mit Tablets wären Sie dahingehend inzwischen vermutlich besser beraten) und setzen Digitalisierung auf die Lehrpläne? 

Das bedeutet für mich nicht, die Risiken und Gefahren aus den Augen zu verlieren. Aber nur wer sich in der digitalen Welt auskennt, kann sich auch in ihr behaupten.

Wie jetzt…, mehr kommt nicht?

Diese eindimensionale Sicht auf dieses Thema könnte ich noch nachvollziehen für jemanden, der in dieser Branche sein Geld verdient – aber nicht für jemanden, der die Interessen aller Bürger im Bundestag vertreten möchte!

Kein Wort zu Ausspähprogrammen wie Prism, Tempora und Xkeyscore?

Die Privatsphäre der Bürger wird auf’s gröbste verletzt und ihre intimsten Daten werden abgegriffen und dauerhaft und nicht nachvollziehbar gespeichert!
Und Sie wollen lediglich „die Risiken und Gefahren nicht aus den Augen verlieren“?

Leider reicht es eben nicht mehr, sich nur in der digitalen Welt auszukennen!
Den massiven Eingriffen in unsere Grundrechte sind auch die ausgesetzt, die schon lange im Internet zuhause sind. Selbst wenn ich meine gesamten Emails verschlüssele und sogar wenn ich gar nicht selbst im Internet aktiv bin, habe ich keinen Einfluss darauf, ob meine Daten z.B. in der Korrespondenz von Behörden, Krankenkassen, Banken, meinem Rechtsanwalt, meinem Arzt, dem Finanzamt, etc. im Internet übertragen werden und dadurch abgreifbar sind.

Selbst wenn man jetzt aber der Meinung ist, dass diese eigenen Daten keinerlei Relevanz und Missbrauchspotential haben, kann man sich immer noch nicht entspannt zurücklehnen. Denn Besorgniserregend wird es spätestens dann, wenn man sich bewusst macht, dass auch die sensibelsten Daten der Politiker, von denen wir regiert werden, durch ausländische Geheimdienste ausgespäht werden können. Wie steht es dann noch um die Unabhängigkeit derjenigen, die die Staatsgeschicke in unser aller Interesse lenken sollen?

Wenn Regierungen inzwischen ganz offen Rechtsbruch begehen, um die Presse, Diplomaten und Whistleblower einzuschüchtern, kann man solche Befürchtungen nicht mehr ins Reich der Verschwörungstheorien verweisen.

Aber Ihnen fällt zu diesem Themenkomplex nur ein, dass die deutsche Wirtschaft hier Chancen verpassen könnte?

Herr Vöpel – Sie kommen aus der IT-Branche – ist das Ihr Ernst?

Ich bin der Meinung, dass wir wirtschaftliche Interessen nicht mehr über unsere Grundrechte stellen dürfen! Der Bundestag und die Regierung müssen hier offensiv vorgehen und mit konkreten Konsequenzen auf diesen Eingriff in die Souveränität Deutschlands und die Grundrechte seiner Bürger reagieren!

Oder wie sehen Sie das?